Das Ziel im Visier
Die Heim-Biathlon-Weltmeisterschaften in der Lenzerheide begeisterten im Februar Biathlonfans rund um den Globus und rückten den Sport in einen internationalen Fokus. Mit dabei auch Lena Häcki-Gross, die die Zentralschweiz bei diesem globalen Event vertrat. Während die Engelbergerin bereits Biathlon-Geschichte schreibt, verfolgen unsere Nachwuchsathlet:innen diesen Traum mit viel Einsatz und Leidenschaft. Aurel Dittli, ehemaliger ZSSV-Kaderathlet und Biathlontrainer, sowie die ZSSV-Athleten Loris Maier und Vince Vogel erzählen vom Alltag und dem Trainingsumfeld der Zentralschweizer Biathlet:innen.
In der Zentralschweiz wird der Biathlonsport in den Skiclubs Schwendi-Langis, Ibach, Nordic Engelberg und Gotthard-Andermatt betrieben. Bis im Alter von 15 Jahren nutzen die Athlet:innen ein Luftgewehr, wobei der Schwerpunkt vor allem auf der Lauftechnik liegt. In diesem Alter trainieren die jungen Biathlet:innen auch noch mehrheitlich mit den Langläufer:innen zusammen. Mit dem Wechsel auf das Kleinkalibergewehr ab 15 Jahren rückt die Schiesstechnik sowie die anspruchsvolle Kombination zwischen Langlaufen und Schiessen stärker in den Fokus. «Mich begeistert am Biathlonsport die Kombination zwischen dem Auspowern auf der Loipe und der absoluten Ruhe während dem Schiessen. Diese beiden Gegensätze zu verbinden, reizt mich», schwärmt der ZSSV-Biathlet Loris Maier. Derzeit wird das Training mit dem Kleinkalibergewehr lediglich in den Skiclubs Schwendi-Langis und Ibach angeboten. Zudem führt der ZSSV seit dem Frühling 2017 ein Biathlon-Kader, um die Zentralschweizer Athlet:innen professionell zu fördern.
Nach der Saison ist vor der Saison
Bereits kurz nach den letzten Wettkämpfen und einer kurzen Erholungspause im Frühling beginnen die Biathlet:innen wieder mit dem Aufbau- und Grundlagentraining. Der Fokus liegt auf dem Ausdauertraining, gespickt mit Intervall- und Kraftübungen. Dabei werden die Langlaufski im Keller verstaut und gegen die Rollski eingetauscht. «Im Sommer ist unser Training sehr polysportiv aufgebaut. Wir sind oft am Joggen, machen Bergläufe oder sind mit dem Velo unterwegs, das gibt uns eine willkommene Abwechslung», erklärt ZSSV-Athlet Vince Vogel. Daneben gehört auch das Trockenschiesstraining zum Plan, wo die Athlet:innen ohne Munition Übungen machen. Damit soll eine gute Schiesstechnik und die nötige Stabilität bei der Liegend- und Stehendstellung antrainiert werden. Die Bewegungsabläufe werden automatisiert sowie die Ziel-, Atmungs- und Abzugstechnik verbessert. An den Biathlonschiessständen werden diese später verfeinert. Im August treffen sich die nordischen Athlet:innen in Andermatt, Realp am Nordic Weekend, dem grössten Off-Snow-Event des Jahres, zu einem ersten nationalen Leistungsvergleich. Etwas später, im Herbst, beginnt dann vermehrt wieder das komplexe Training, also die Kombination von Schiessen und Laufen. «Es ist wichtig, dass wir dann wieder die vollständigen Abläufe und mit dem gesamten Material trainieren», erklärt der ehemalige Kaderathlet und Biathlontrainer Aurel Dittli. Die Herausforderung besteht darin, dass es für das komplexe Training in der Zentralschweiz nur wenige Trainingsorte gibt, an denen dieses möglich ist. Im Gegensatz zu den Langläufer:innen, sind die Biathlet:innen auf zusätzliche Infrastruktur angewiesen. Denn neben den Loipen oder den Rollskibahnen brauchen sie auch einen Biathlonschiessstand. Die grösste Anlage, auf der ein umfassendes Training möglich ist, steht in Realp. Zudem wurde in Zusammenarbeit mit dem Skiclub Schwendi-Langis, den Gemeinden Giswil und Sarnen sowie der Unterstützung des Kanton Obwalden und zahlreichen Sponsoren aus der Region vor rund zehn Jahren eine Anlage in Giswil eingeweiht. Im Jahr 2020 wurde die Biathlon-Trainingsanlage Pfedli mit einer rund 800 Meter langen Rollski-Trainingsstrecke ergänzt, damit die Athlet:innen ganzjährig unter besten Bedingungen und auf einem sicheren Gelände trainieren können. Weitere Schiessständegibt es in Engelberg sowie im Kaltbad, Langis, für die Luftgewehre.


Realp, unsere «Homebase»
Eine der wichtigsten Trainingsstätten für die Zentralschweizer Biathlet:innen ist der Sportstützpunkt Realp. Die im Jahr 2002 errichtete Anlage zählt zu den besten Trainingszentren der Region und bietet optimale Bedingungen sowohl für die Langläufer:innen als auch dieBiathlet:innen. Mit einer drei Kilometer langen Rollskibahn und einem modernen Schiessstand ermöglicht sie ein effektives Training, bei dem das Laufen und Schiessen ideal kombiniert werden kann. Dank der hohen Schneesicherheit sowie des weitläufigen Loipennetztes kann der Biathlonsport hier ganzjährig ausgeübt werden, in den schneefreien Monaten auf der Rollskibahn und im Winter auf perfekt präparierten Langlaufstrecken. Eingebettet in das Urserntal bietet die Region Andermatt-Realp auch optimale Möglichkeiten für Bergläufe. Neben komfortablen Unterkünften stehen den Athlet:innen Krafträume sowie eine grosszügige Turnhalle für weitere Trainingseinheiten zur Verfügung. «Wir müssen auch nicht weit anreisen, um perfekt trainieren zu können. Die Anlage bietet alles, was wir brauchen, direkt bei uns in der Region», erzählt Vince. Zudem eignet sich Realp auch ideal als Austragungsort für Wettkämpfe. «In Realp finden wir beste Bedingungen vor. Wir sind sehr froh, dass wir auch in Zukunft dort trainieren dürfen», meint Aurel. Denn bis 2025 wird die Anlage vom Bundesamt für Sport (BASPO) betrieben. Aufgrund von Sparmassnahmen beim Bund drohte im letzten Jahr die Schliessung des Sportstützpunkts Realp. Um den nahtlosen Weiterbetrieb zu sichern, haben sich der Kanton Uri, das Bundesamt für Sport sowie die Vertreter:innen der Sportverbände, darunter der ZSSV, auf ein gemeinsames weiteres Vorgehen geeinigt. Im Laufe des Jahres werden dazu entsprechende Verträge ausgearbeitet. «Eine intakte Infrastruktur ist essenziell für jede Sportart. Sie ist eine zentrale Voraussetzung, damit Athletinnen und Athleten, ob bereits arriviert oder noch im Nachwuchs, Trainings und Wettkämpfe unter guten Bedingungen ausüben können», so Sandra Felix, Direktorin BASPO.
Auf die Feinheiten kommt es an
Sobald im November die Wettkampfphase beginnt, gilt es, das im Sommer Gelernte wie auf Knopfdruck abrufen zu können. «Die effizienten Trainings in der Sommersaison sind die Basis der guten Resultate im Winter», erklärt Vince und Loris fügt an: «Treffen können wir alle, aber dieses Können auch im Wettkampf abzurufen, ist etwas anderes.» Damit die Biathlet:innen möglichst präzise Schiessergebnisse erzielen, werden vorgängig im Herbst die Gewehre in einer Kältekammer eingespannt und bei 0 bis -15°C mit unterschiedlicher Munition eingeschossen. «Wir simulieren verschiedene Temperaturen, da die Kälte einen Einfluss auf das Trefferergebnis hat», erklärt Christian Ulrich, Mitarbeiter der Ulrich Waffen AG und des Kälteprojekts. Seit bald vier Jahren finden diese Tests, in Zusammenarbeit mit Swiss-Ski, in Selgis, im Muotathal statt. Das Ziel ist es, für die Gewehre der Athelt:innen die passende Munition mit einer möglichst kleinen Streuung zu finden. Denn jedes Gewehr reagiert anders bei unterschiedlichen Kältegraden und mit unterschiedlicher Munition. Auf dem Computer wird das Schussbild angezeigt und das Resultat danach für die Athlet:innen ausgedruckt. «Die Kältekammer bietet für uns einen grossen Mehrwert, da uns so beste Voraussetzungen geboten werden», freut sich Aurel. Mit einem Schmunzeln fügt er an, dass die Athlet:innen am Ende des Tages aber immer noch selbst schiessen müssen. Die Trainingsmöglichkeiten in der Zentralschweiz bieten den Nachwuchsbiathlet:innen die besten Voraussetzungen, um sich optimal auf ihre sportliche Zukunft vorzubereiten. Mit kontinuierlicher Unterstützung und modernen Einrichtungen stehen der nächsten Generation von Biathlet:innen vielversprechende Karrieren bevor.